DEUTSCHE MODE DESIGNER

WAS LILLY INGENHOVEN ANDERS MACHT

Interview / Redaktion: Ingo Kabutz

„A WINNER IS A DREAMER, WHO NEVER GIVES UP“.

Nelson Mandela

Sie ist 24 Jahre jung, hat ein unglaubliches Feingespür für Stil und das begnadete Talent, ihre kreative Kunst perfekt umzusetzen. Die Nachwuchsdesignerin erzielte bereits während ihrer Studienzeit an der Akademie für Mode und Design AMD in München brillante Erfolge: Der „AMD Best Graduate Fashion Award“ wurde ihr u.a. von Luca Strehle und Michael Sontag verliehen. Das Goethe Institut wählte ihre Bachelorarbeit für die Prag Fashion Week im Oktober 2013 aus. Zudem sammelte sie prägende Erfahrungen bei deutschen Designgrößen wie Allude, Escada und Talbot Runhof. Ihr persönlicher Höhepunkt: Die Gründung des Labels „LILLY INGENHOVEN“ Ende 2013.

„Mir war es von Beginn an eine Herzensangelegenheit, auf die Reinheit und Hochwertigkeit meiner Stoffauswahl zu achten und vor allem die Produktionsbedingungen sicherzustellen“, so Lilly Ingenhoven. So produziert die smarte Münchnerin mit Düsseldorfer Wurzeln seit drei Saisons ausschließlich in Deutschland und achtet dabei sehr darauf, ihre Kollektion nach alter Handwerkskunst zu fertigen und die familiäre Atmosphäre in der Produktionsstätte zu bewahren. Inspiriert von der Atmosphäre und dem sportlichen Flair in Wimbledon entstand die Frühjahr/Sommer 2016 Kollektion aus fließenden Materialien und puristischen Designs in Form von zeitlosen Basics und atemberaubenden Abendgarderoben.

„Ich traf Lilly Ingenhoven in Berlin nach ihrer Show am letzten Tag der Mercedes-Benz Fashionweek. Wir verabredeten ein Interview. Exklusiv für PURE LEBENSLUST. Es war klar, dass Lilly einiges anders macht. Aber lesen Sie selbst“.

„ ... so bleibt die Ungewissheit: Ob es nicht doch unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt wurde, ob es von Kindern genäht wurde, ob die verwendeten Materialien wirklich hochwertig und frei von Schadstoffen sind, ob das Leder mit Chrom gebleicht wurde? Bei meinen Produkten überprüfe ich genau diese Hintergründe der Zutaten.“ Lilly Ingenhoven

LILLY, DU HAST 2013 ALS BEREITS AUSGEZEICHNETE, ABER SEHR JUNGE DESIGNERIN DEIN EIGENES READY-TO-WEAR-LABEL GEGRÜNDET. WAS UND WER HAT DIR DAZU DEN MUT GEGEBEN, WAS WAR DEINE GANZ PERSÖNLICHE MOTIVATION?
In meinem Bekanntenkreis habe ich festgestellt, dass Einkaufen in den großen Modehäusern oft mit einem schlechten Gewissen einhergeht. Ob teuer oder preiswert, einen wirklichen Einblick in die Produktion bekommt man meistens nicht, und so bleibt die Ungewissheit: Ob es nicht doch unter menschenverachtenden Bedingungen hergestellt wurde, ob es von Kindern genäht wurde, ob die verwendeten Materialien wirklich hochwertig und frei von Schadstoffen sind, ob das Leder mit Chrom gebleicht wurde? Bei meinen Produkten überprüfe ich genau diese Hintergründe der Zutaten. Ich weiß zum Beispiel genau, woher jeder Knopf kommt. Aktuell arbeiten wir daran, diese Informationen auch für den Endkunden zugänglich zu machen. Natürlich muss sich nicht jede Kundin mit den Details auseinandersetzten. Es reicht, wenn sie weiß, dass sie mit gutem Gewissen ein Kleidungsstück von uns kaufen kann - um den Rest kümmere ich mich. An gleicher Stelle steht auch die Ästhetik. Aus Liebe zur Schönheit habe ich mich für diesen Beruf entschieden.

Ganz alleine geht das natürlich nicht. Mit meiner Vision von verantwortungsvoller Mode konnte ich meine Eltern noch vor der Gründung überzeugen. Die Liebe zu Materialien, zu Natur, zu Formen und zum Design habe ich von ihnen in die Wiege gelegt bekommen. Faire Produktion und anspruchsvolles Design sind die eine Seite, aber auf der anderen Seite stehen viele Zahlen. Um den Überblick zu behalten, kümmert sich mein Freund um den wirtschaftlichen Teil. Das ist eine große Hilfe, und ohne diese Unterstützung hätte ich mich wahrscheinlich nicht so ohne Weiteres selbstständig gemacht. Im Laufe der letzten zwei Jahre habe ich festgestellt, dass man gerade in der Anfangsphase der Gründung viel Hilfe und Unterstützung von Freunden braucht, in jeglicher Hinsicht, und die habe ich auch bekommen, dafür bin ich sehr dankbar.

WIE BESCHREIBST DU DEINE PERSÖNLICHE FASHION-PHILOSOPHIE? WAS IST DEINE HANDSCHRIFT? WELCHEN ÜBERZEUGUNGEN FOLGST DU ALS MODE-DESIGNERIN?
Meine Philosophie ist es, Mode zu machen, deren Qualität und Design darauf ausgelegt ist, viele Jahre getragen und geliebt zu werden: Slow-Fashion, also alles, nur keine Wegwerfmode. Jedes Teil wird in Deutschland gefertigt, aus Stoffen, die in Europa hergestellt werden. Dieses Konzept geht bis ins kleinste Detail: Zum Beispiel sind unsere Knöpfe mit dem Ökologie-Siegel GOTS zertifiziert, und die Reißverschlüsse werden in einem Familienbetrieb in der Schweiz hergestellt. Wir arbeiten stetig daran, das noch zu verbessern. Immer mehr Stoffe sollen nicht nur in Europa produziert werden, sondern auch Bio-Qualität haben. Neben diesen hohen Ansprüchen an die Produktion und die Zutaten steht natürlich auch der Design-Anspruch an oberster Stelle. Unsere Entwürfe sind alle klassisch und weisen viel Liebe zum Detail auf. Bisher gab es in jeder Kollektion viel Blau, das wird sich wahrscheinlich auch nicht so schnell ändern, es ist einfach meine Lieblingsfarbe. Reduzierte, klassische und gleichzeitig moderne und dabei sehr weibliche Teile sind der Ausgangspunkt jeder neuen Kollektion.

WIR HABEN DEINE SHOW IN BERLIN GESEHEN UND WAREN BEGEISTERT. BESCHREIBE UNS BITTE, WIE DU MIT DEINEM TEAM DIE KOLLEKTION KREIERT HAST, MIT WELCHEN LEITIDEEN. WIE GESTALTEST DU DEN DESIGNPROZESS, WER IST DABEI? WELCHE MATERIALIEN, FORMEN UND WERTE BESTIMMEN DIESE KOLLEKTION? WELCHER AUFWAND STEHT DAHINTER? WAS MUSS ALLES PASSIEREN, BIS DIE SHOW BEGINNEN KANN?
Es freut mich sehr, dass Euch die Show gefallen hat. Am Anfang steht immer ein Thema, und in diesem Fall war dies das berühmte und traditionelle Tennisturnier Wimbledon. Dann wird erst mal viel recherchiert, entworfen und kuratiert. Die Entwurfsphase ist immer sehr emotional, allerdings in beide Richtungen. Mal bin ich total begeistert und kann es kaum erwarten, den Entwurf umzusetzen und im nächsten Moment kommt der Entwurf „in die Tonne“. Aber irgendwann bin ich mir sicher, welche 20 bis 25 Looks es werden sollen. Dann geht es an die Umsetzung. Im Moment entwickle ich die Schnitte noch alle selbst, und dann werden bei uns im Studio zahlreiche Nesselmodelle angefertigt. Es kommt vor, dass ein Schnitt bis zu vier Fittings mit unserem Hausmodel hat, bis er wirklich richtig passt oder dass er dann doch noch rausfliegt.

Die Kollektion Sommer 2016 mit dem Titel „The Championships“ beschäftigt sich mit der sportlichen Eleganz des englischen Tennisturniers Wimbledon. Aus der Tennisbekleidung habe ich die typischen Falten an Tops und Kleidern übernommen. Ich habe mich aber auch viel vom Tennisplatz selbst inspirieren lassen. Die gemusterten Stoffe (Karos und Streifen) sind an das Tennisnetz und die Platzlinien angelehnt. Die meisten Teile sind aus Baumwolle oder Seide.

Die Kollektion, das Fotoshooting und das Lookbook zu machen, kannte ich ja schon. Aber dieses Mal kam eine neue Herausforderung hinzu: die Show.

Die Gelegenheit, eine Modenschau in Berlin zu machen, hat sich spontan ergeben, und so kam es, dass wir vier Wochen vor der Show mit der Planung losgelegt haben. Diese Saison waren wir zudem noch das erste Mal auf der Tranoi in Paris, was sehr erfolgreich war. Wir haben zwei Tage lang Brainstorming gemacht, bis wir uns für ein Konzept für die Show entschieden haben. Das Thema Tennis bietet so viele Möglichkeiten. Am Ende haben wir uns für einen Catwalk aus Kunstrasen entschieden, Wimbeldon ist eines der wenigen Turniere, das noch traditionell auf Rasen gespielt wird. Für den Backdrop haben wir mit der Berliner Neon-Firma Sygns kooperiert, die uns in kürzester Zeit eine riesige Leuchtschrift angefertigt hat mit dem Ausruf „Game Set Match!“. In diesem Sinne haben wir dann die endlose To-do-Liste bewältigt: Einladungen designen und verschicken, Gästeliste und Sitzpläne erstellen, eine Stylistin finden, Musik aussuchen, Models casten, Models fitten, Sponsoren-Partner finden und Goodie Bags füllen, passende Schuhe besorgen, Frisuren und Make-up auswählen, Kunstrasen auslegen, Helfer rekrutieren, Platzkarten gestalten, Catering für das Backstageteam organisieren und vieles, vieles mehr. Manche Dinge kann man aber nicht auf eine To-do-Liste schreiben: Wenn die Michalsky Show kurz nach unserer beginnt, kann es schon mal sein, dass man noch am Tag der Show, am eigenen Messestand auf der Premium, nebenbei Models castet, weil die ursprünglichen Models spontan doch bei Michalsky laufen.

WIE HAST DU PERSÖNLICH DEINE SHOW EMPFUNDEN IN BERLIN? ICH HATTE DAS GEFÜHL, DASS DIE BESUCHER ÜBERRASCHT UND BERÜHRT WAREN. WAS GEHT IN DIESEN AUGENBLICKEN DER WAHRHEIT IN DIR VOR, UND WELCHE BESTIMMUNG NIMMST DU VON DIESER SHOW MIT NACH MÜNCHEN?
Es war ein unglaublich emotionales Erlebnis! Von der Stimmung am Laufsteg bekommt man backstage leider nur wenig mit. Kurz vor Beginn der Show hat mir eine Freundin zugerufen, dass schon alle Plätze belegt seien und einige Zuschauer bereits stehen müssten. Ich habe ihr nicht geglaubt, bis ich selbst auf den Monitor geschaut habe. Hinter den Kulissen ist man bis zur Show so beschäftigt, dass man eigentlich erst viel später alles verarbeiten kann. Jede Kollektion ist auch etwas sehr Persönliches, und diese vor einem so großem Publikum zu präsentieren, war eine Herausforderung. Ich war bis kurz vor der Show so beschäftigt, dass ich erst nach dem Finalwalk spüren konnte, wie überwältigt ich war. Elf Models tragen sechs Monate Arbeit in elf Minuten vor 350 Zuschauern. Das ist nur ein kurzer Augenblick, der trotzdem viel bewirken und auslösen kann. Man verbringt so viel Zeit mit der Kollektion, da fällt es schwer, diese objektiv wahrzunehmen. Wenn man dann im Nachhinein erfährt, dass die Zuschauer Gänsehaut hatten und mit positiven Gefühlen den Saal verließen, ist das nicht nur eine Erleichterung, sondern auch Motivation für die nächste Kollektion. Darüber hinaus hat mich der Einsatz der unzähligen Helfer tief berührt. IMG, die Organisatoren der MBFWB, hat ein unglaublich nettes Team vor Ort, das uns mit viel Herzlichkeit und Engagement im Vorfeld wie auch bei der Show selbst unterstützt hat.

WELCHE ZIELE MÖCHTEST DU IN DEN NÄCHSTEN JAHREN ERREICHEN?
Entwerfen ist ein nie endender Lernprozess. Ich möchte meine Entwürfe ständig weiterentwickeln, weiterhin besondere Materialien finden und die Passformen noch mehr perfektionieren. Dabei ist es mir sehr wichtig, unsere zeitlos klassische Design-DNA, die sich durch feminine und minimalistische Formen sowie besondere Details auszeichnet, genauer zu definieren und zu entwickeln.. Außerdem möchte ich den Aspekt der Nachhaltigkeit noch viel weiterausbauen. Von der Baumwollernte bis zum fertigen Kleidungsstück gibt es noch unzählige Schritte, die man optimieren kann. Außerdem wollen wir unseren Vertrieb international ausbauen. Momentan sind wir in Deutschland und Japan vertreten, ab Sommer 2016 zusätzlich auch in Taiwan und Frankreich. Neben meinen Ready-to-Wear-Kollektionen gibt es bei uns im Studio auch die Möglichkeit, Kleider auf Maß anzufertigen zu lassen (Maßkonfektion). Hierbei bekommt die Kundin einen Einblick in den Entstehungsprozess und somit eine besondere Bindung zu ihrem Kleid. Bei jedem Fitting kann man beobachten, wie die Vorfreude wächst – das ist auch für mich ein schöner Moment. Dies ist ein weiterer Bereich, den ich gerne ausbauen würde.

BITTE LASS UNS EINIGE FACTS ÜBER DICH WISSEN
Ich bin 25 Jahre alt. Modedesign-Studium (B.A.) an der AMD München. Unser Dozent Oscar Raaijmakers hat mich stilistisch sehr geprägt. Er hat das Talent, sich auf jeden Schüler einzulassen und ihn in seinem persönlichen Stil zu definieren. AMD Best Graduate Award 2013 Arbeitserfahrung bei Escada, Talbot Runhof und Allude. Bei Allude hat mich das ganze Team nachhaltig beeindruckt. Es herrscht ein unglaublich positives Arbeitsklima, und das fördert auch die Kreativität. Ich versuchte diese familiäre Atmosphäre bei mir im Studio zu leben. Talbot Runhof sind Meister im Umschmeicheln des weiblichen Körpers, und es war eine Ehre, Johnny Talbot beim Kreativprozess zu beobachten. Seine Freude bei der Schnittentwicklung ist ansteckend. Er lebt die Entwicklung und geht darin völlig auf! Atelier in der Zentnerstrasse 5, 80798 München (Ready-to-wear & Maßkonfektion).

LILLY, ICH DANKE DIR FÜR DAS INTERVIEW.

LILLY INGENHOVEN: ZEITLOS KLASSISCH MINIMALISTISCH
„Meine Philosophie ist es, Mode zu machen, deren Qualität und Design darauf ausgelegt ist, viele Jahre getragen und geliebt zu werden: Slow-Fashion, also alles, nur keine Wegwerfmode.“

LILLY INGENHOVEN
Zentnerstraße 5
80798 München
www.lillyingenhoven.com