CLASSIC CARS

FASZINATION OLDTIMER: CALIFORNIA OUTLOW

Text: PURE LEBENSLUST. Fotos: Markus Hibbeler

Das Oldenburger Classic Center an der Ammerländer Heerstraße ist das alte und neue Zuhause eines der faszinierendsten Automobile aller Zeiten. Der „Mercedes-Benz w 198 Flügeltürer und Roadster“ wurde zwischen 1954 und 1957 nur 1.400 Mal gebaut. Im Interview mit PURE LEBENSLUST schildert Thomas Rosier eine ungewöhnliche Auto-Odyssee.

ALS 1954 DER FLÜGELTÜRER GEBAUT WURDE ...

... ist Queen Elisabeth seit zwei Jahren Königin von England. Bild: © dpa

... wird Bill Haley mitt „Rock around the clock“ weltbekannt. Bild: © dpa

... können die Kundinnen in Deutschland aus vollen Regalen das Wirtschaftswunder genießen. Bild: © dpa

... ist Konrad Adenauer Bundeskanzler. Bild: © dpa

... ist San Marino Schauplatz von Autorennen mit dem unvergleichlichen Mercedes-Benz Flügeltürer. Bild: © dpa

... stehen Horst Buchholz und Romy Schneider gemeinsam vor der Kamera. Bild: © dpa

HERR ROSIER, BESCHREIBEN SIE UNS BITTE DIE LEIDENSCHAFT FÜR DEN MERCEDES-BENZ W 198 FLÜGELTÜRER UND ROADSTER ...
Der Flügeltürer und auch der W 198 von 1954 sind sicherlich ganz besondere Ikonen. Einmal für Mercedes-Benz – aber eben auch für jeden Menschen, der sich mit Ästhetik, mit der Form und schönen Dingen befasst, ist das Auto markenübergreifend betörend. Dieses Auto war einfach ein Big Bang. Man kann nur versuchen, sich in diese Zeit hineinzuversetzen. Das war die Zeit, in der Queen Elisabeth das erste Mal in Farbe im deutschen Fernsehen übertragen wurde. Eigentlich hat man immer Schwarz-Weiß-Bilder von damals im Kopf, aber als das Auto 1954 in New York vorgestellt wurde, kamen in Nürnberg gerade die letzten Züge mit 15.000 deutschen Kriegsgefangenen zurück, es war einfach eine sehr raue Zeit. Und dann kam da dieses Auto daher. Das war damals einfach der Inbegriff des deutschen Wirtschaftswunders. Es hatte den ersten Einspritzmotor in Serie und eine einzigartige Form. Man muss sich vorstellen, dass die Leute damals mit 80 km/h sehr, sehr schnell unterwegs waren und dass diejenigen, die über 100 km/h fuhren, mit einem Bein im Gefängnis standen. Dann kam ein Auto, das bis zu 260 km/h schnell fuhr. Die Mischung aus all diesen Dingen macht sicherlich die Faszination für dieses Auto aus.

VON DER FORMSPRACHE, VOM DESIGN UND VON DER TECHNIK HER IST ES ÜBER DAS AUTO HINAUS IKONISCH UND IN DEM KONTEXT DIESER ZEIT SCHON EINE OFFENBARUNG ...
Ja, Deutschland wurde damals Formel-1-Weltmeister und Fußballweltmeister. Das Wirtschaftswachstum erfasste die junge Republik und trieb sie nach vorn. Und dann kam dieses Wahnsinns-Auto. Das war prägend für Deutschland und für Mercedes Benz. Heute überschlagen wir uns jeden Tag mit irgendwelchen Superlativen. Aber damals führte unter anderem der Flügeltürer dazu, dass alle daran glaubten: „Wir sind wieder wer“.

IM JAHR 1986 HAT IHR VATER GENAU DIESES FAHRZEUG GEKAUFT, UND SIE HABEN ES 1989 DANN VERKAUFT.  DER ERLÖS TRUG DAZU BEI, IHR AUTOHAUS FÜR DIE ZUKUNFT AUFZUSTELLEN?
Richtig ist, dass die automobile Leidenschaft im Hause Rosier immer da war. 1927 wurde das Autohaus vom Großvater gegründet, und mein Vater hat sich eben auch über dieses Geschäft hinaus mit Freude den Automobilen gewidmet. Richtig ist auch, dass er das Auto 1986 in den USA gekauft hatte und es dann 1989 – schon als eine Art Startkapital – wieder verkauft wurde. Damit konnte die Expansion in den Norden, in die Mercedes-Benz-Vertretung in Oldenburg finanziert werden. Somit war dieser Erlös die Basis meiner unternehmerischen Tätigkeit.

HÄTTEN SIE JEMALS GEDACHT, DIESES FAHRZEUG NOCH EINMAL WIEDERZUSEHEN?
Es war zunächst toll, dieses Auto zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war es aber auch der richtige Schritt, es zu verkaufen. In der Folge hat man sich um den Aufbau des Unternehmens gekümmert, und parallel dazu hat uns die Faszination für Oldtimer nicht verlassen. Und nicht nur das. Oldtimer wurden eben auch zu einem Geschäftsfeld, und 1996 haben wir wieder einen Flügeltürer in den USA erworben. Von 2002 bis 2013 habe ich auf Basis dieser Liebe zum Auto auch ein großes Ehrenamt ausführen dürfen.  Elf Jahre war ich der Präsident und Vorsitzende des 300 SL Club, wo eben viele Hunderte dieser Fahrzeuge in einem Club zelebriert werden. So bin ich immer tiefer in diese Materie hineingewachsen und habe die Liebe zu den Fahrzeugen intensiviert und gelebt.

SIE WAREN ALSO ELF JAHRE VORSTAND DES INTERNATIONALEN 300 SL CLUBS – WELCHE ART VON MENSCHEN TRIFFT MAN DORT?
Das Schöne an dem Club ist, dass es eine Interessengemeinschaft von ca. 330 Mitgliedern ist, die aus vielen verschiedenen Ländern kommen, 90% davon aus Deutschland. Und alle verbindet die Liebe zum Auto. Was uns allen wichtig ist: diese Autos wollen bewegt werden. Ein Auto muss bewegt werden, das Gummi muss bewegt werden – diese Autos sind einfach gebaut, um gefahren zu werden und um damit Spaß zu haben. Viele der Mitglieder sind Mitglieder der ersten Stunde, der Club wurde 1978 gegründet. Das sind die unterschiedlichsten Typen, die in der Regel einfach von der Form und von den Leistungsparametern fasziniert waren und sind. Viele haben ja in den 1960ern und 1970ern ihre Flügeltürer für vergleichsweise übersichtliche Preise erhalten. Heute kosten sie natürlich ungleich mehr. Dementsprechend sind sehr unterschiedliche Menschen in dem Club, auch was die Vermögensverhältnisse betrifft.

UND IM VERGANGENEN JAHR WURDE IHNEN IN DEN USA DANN EIN FLÜGELTÜRER ANGEBOTEN ...
Ja, da schließt sich der Kreis. Mir wurde im Dezember 2014 ein schwarzer Flügeltürer angeboten – und ihn sehen und haben wollen, das war quasi eins. Ich war so fasziniert von dieser speziellen Anmut, das war Liebe auf den ersten Blick. Zu dem Zeitpunkt hatte ich natürlich überhaupt keine Ahnung, dass das vielleicht sogar unser Auto von 1986 sein könnte. Es war einfach dieses Auto, das faszinierte. Aus der Begegnung wurde dann der Kauf. Zehn Tage nach dem Kauf des Fahrzeugs habe ich mit einem Mercedes-Benz- und Oldtimer-Experten gesprochen, und der sagte mir, dass er das Auto 1986 meinem Vater verkauft hatte. Drei Wochen später kam das Auto bei uns in Oldenburg an und hatte sogar noch das Originalkennzeichen von meinem Vater.

EIN ABSOLUTER GÄNSEHAUTMOMENT, ODER?
Ja, das war ein absoluter Gänsehautmoment! Es ist ja schon kurios, dass so etwas überhaupt passiert, dass eine solch seltsame Qdyssee möglich ist. Und zu der Geschichte passt, dass ich vor wenigen Wochen mein Unternehmen verkauft habe, das wir eben vor genau 25 Jahren gegründet hatten. Das Unternehmen ist nun weg – und das Auto ist wieder da. Das Schöne ist jetzt, dass wir aus dieser Liebe und dieser Passion ein komplettes Geschäftsmodell machen.

WAS PASSIERT MIT DEM FAHRZEUG, DAS GEBEN SIE WAHRSCHEINLICH NICHT MEHR HER, ODER?
Nein, ich sag mal, bei diesen Zufällen darf man das auch eigentlich nicht – das ist ja ein kosmisches Zeichen. Das Auto steht nicht zum Verkauf, sondern soll im Prinzip das Aushängeschild unserer geschäftlichen Classic-Aktivitäten sein.

WELCHEN TIPP KANN THOMAS ROSIER AUTOFREAKS GEBEN – UM EVENTUELL MAL IN DIE NÄHE EINES SOLCHEN FAHRZEUGS ZU KOMMEN?
Ja, das ist ganz einfach! Ins Auto setzen und nach Oldenburg fahren. (lacht)

ES IST ALSO NICHT AUSGESCHLOSSEN, SO EIN FAHRZEUG ZU FINDEN?
Nein, überhaupt nicht. Wir handeln mit den Fahrzeugen, wir suchen und wir restaurieren sie auch. Ich sage mal, so einen 300 SL, den kann man jeden Tag auf dieser Welt kaufen. Es gibt auch viele Möglichkeiten, die Fahrzeuge in freier Wildbahn zu sehen. Jedes Jahr findet das „Internationale 300 SL Jahrestreffen“ statt, nächstes Jahr im Juni in Trier. Und ganz wichtig ist natürlich – jeder sollte zu uns nach Oldenburg kommen, wenn er einen ehrlichen, zuverlässigen und kompetenten Oldtimer-Partner sucht.